(aus: Correos de las Americas Nr. 137 vom März 2004)

 

Zona Norte - In der ehemaligen Hochburg der chiapanekischen Paramilitärs regt sich Widerstand gegen die Armeepräsenz

 

Ein Gespräch zu den Spannungen im chiapanekischen Norden mit Heike Kammer, Aktivistin der basisnahen Friedensförderungs-Organisation SIPAZ (Servicio Internacional por la Paz) und langjährige Kennerin der konfliktiven Zona Norte.

 

von: Gruppe Direkte Solidarität mit Chiapas (www.chiapas.ch)

 

“Die Armee soll abhauen!”, skandierten die DorfbewohnerInnen der zapatistischen Gemeinde Emiliano Zapata an mehreren Demonstrationen im Januar. Seit Jahresbeginn kommt es in diesem Ort in der chiapanekischen Zona Norte zu verstärkten Protesten gegen das dortige Militärcamp. Dieser Widerstand überrascht, denn die Zona Norte - in der die EZLN (Zapatistische Armee zur Nationalen Befreiung) einer ihrer Ursprünge hat und in der sie nach wie vor präsent ist - wurde in der Folge des Aufstandes von 1994 militärisch besetzt. Ab 1995 forcierte die Regierung im Zuge der Aufstandsbekämpfung den Aufbau paramilitärischer Strukturen – mit den Paramilitärs in der Zona Norte sollte insbesondere ein Übergreifen der zapatistischen Aufstandsbewegung in den strategisch wichtigen Bundesstaat Tabasco mit seinen grossen Ölvorkommen verhindert werden. Wie konnte es also dazu kommen, dass eine breite Front - von SympatisantInnen der EZLN und der linken Partei PRD bis hin zu ehemaligen und noch aktiven Paramilitärs - sich gegen die permanente Präsenz der Bundesarmee auf ihrem Gemeindeland zu wehren beginnt?

 

Heike Kammer arbeitet seit einigen Jahren in den Chol-Gemeinden im chiapanekischen Norden. Wir haben sie als Kennerin der lokalen Verhältnisse auf die Entwicklungen in der Zona Norte angesprochen.

 

Gestern noch Paramilitärs – und heute?

 

Frage: Heike, du kennst die Zona Norte von jahrelanger Beobachtungs- und Konfliktvermittlungsarbeit. Kürzlich war auch eine Delegation von BeobachterInnen in Emiliano Zapata. Wie wurde es möglich, dass das ehemals von Paramilitärs beherrschte Gebiet heute von Menschenrechtsdelegationen besucht werden kann? Sind die Paramilitärs heute nicht mehr aktiv?

 

Im Kontext der Aufstandsbekämpfung gründete die regierende Partei PRI 1995 in der Zona Norte die Organisation “Paz y Justicia”, die sich später in “Desarrollo, Paz y Justicia A.C.” (DPJ, auf deutsch: Entwicklung, Frieden und Gerechtigkeit) umbenannte. Viele Chol Indigenas der nördlichen Bezirke Tila, Sabanilla, Tumbala und Palenque schlossen sich Desarrollo, Paz y Justicia an, da ihnen diese Projekte und wirtschaftliche Entwicklung anboten. Die DPJ war zuerst eine “soziale Organisation”, die Projekte finanzierte und wurde erst später teilweise zu einer paramilitärischen Gruppierung. So schlossen sich andere später aus Angst an, denn wer nicht dazu gehörte, wurde zum Feind erklärt.

 

Die Mitglieder von Desarrollo, Paz y Justicia wurden von ihren politischen Führern (Lehrern, ex-Militärs, Bürgermeistern und Abgeordneten der PRI) angestiftet, gegen SympatisantInnen der Zapatistas zu kämpfen. Vom Militär und Polizei wurden sie bewaffnet und militärisch ausgebildet. Deshalb werden sie auch als Paramilitärs bezeichnet. Die DPJ verbreitete Angst und Schrecken und kontrollierte grosse Gebiete der Zona Norte. Angriffe und Tote gab es allerdings auf allen Seiten: In den  Auseinandersetzungen starben Zapatistas, PRDistas (PRD = linke Partei für eine demokratische Revolution, ehemals Teil der Unterstützungsbasis der EZLN) und Katholiken. Es gab aber auch Tote bei der DPJ, der  ehemaligen Staatspartei PRI und Morde an Bauern, die sich politisch nicht klar definierten.

 

Im Jahre 2000 begannen die ersten Spaltungen von DPJ. Die Führer von DPJ  stritten sich um die Gelder und so entstand als Abspaltung von DPJ die Organisation UCIAF, die wie DPJ in erster Linie ein Verein ist zur Verteilung von Regierungsgeldern, aber auch eine bewaffnete Struktur kennt. In den Wahlen von Mitte 2000 verlor die PRI zwar die Präsidentschaft Mexikos und darauf den Gouverneursposten in Chiapas, in den einzelnen Bezirkshauptorten ist die PRI aber weiterhin an der Macht. Sowohl die Wahlniederlagen der PRI als auch der Machtkampf innerhalb der DPJ sind wichtige Elemente, um den Niedergang von DPJ zu verstehen. Viele ihrer Mitglieder fühlen sich betrogen. Projekte und Gelder wurden versprochen, doch Krieg wurde geboten. Vor knapp 2 Jahren wurden dann fast 30 Mitglieder von DPJ verhaftet. Die meisten wurden inzwischen wieder auf Kaution entlassen, aber zwei der Anführer sind noch im Gefängnis, da ihre bewiesenen Taten eine Freilassung verunmöglichen.

 

Breiter Widerstand gegen Militärpräsenz in Emiliano Zapata

 

Zurück zu den Mobilisierungen in Emiliano Zapata: Wie wurde es möglich, dass sich eine Gemeinde in diesem Umfeld von paramilitärischem Terror gegen die Militärpräsenz zu wehren begann?

 

Der Ort Emiliano Zapata liegt im Tiefland von Tila, dem am meisten von Gewalt betroffenen Gebiet der Zona Norte. Die Mehrheit des Ortes gehörte zur PRI und damit zu DPJ. 1995 empfing der Ort das Militärlager mit offenen Armen. Es sollte sie vor der (angeblichen) Bedrohung durch die SympatisantInnen der Zapatisten schützen. Die Dorfversammlung entschied gemeinsam, dem Militär ein Stück Land zu vermieten, d.h. es wurde nicht enteignet, wie dies an vielen anderen Orten der Fall war. Die BewohnerInnen brachten Tortillas und das Maisgetränk Pozol. Einige BewohnerInnen begannen Zimmer an Soldaten zu vermieten (für Prostitution), Frauen begannen die Wäsche der Soldaten zu waschen und ihnen essen zu kochen. Einige Frauen und Mädchen begannen sich in Soldaten zu verlieben, oder ihren Körper zur Verfügung zu stellen im Tausch für Geld oder feinere Lebensmittel. Prostitution war bisher in der indigenen Kultur unbekannt und wird nun durch die Soldaten eingeführt, wie auch Marihuana und starker Alkoholkonsum.

 

Mittlerweilen ist DPJ in der gespaltenen Gemeinde Emiliano Zapata in der Minderheit. Die Ortsversammlung hat entschieden, das Militär vom Gemeindeland zu vertreiben. Ihre Argumente: Die Soldaten verführen die  Kinder und Jugendlichen ihres Dorfes zu Alkohol, Drogen und Prostitution. Weiterhin zerstören sie die indigene Kultur. weshalb die Jugendlichen die Gemeindeautoritäten nicht mehr respektieren. Die Soldaten verschmutzen den Fluss und verbreiten Angst, da sie oft betrunken umherschiessen. Das stärkste Argument der Gemeinde ist aber dass es ja keinen Krieg mehr gäbe und es deshalb auch kein Militär mehr brauche. Damit übernimmt sie allerdings die Rhetorik der Bundes und Staatsregierungen. Die wichtigsten Autoritäten der Gemeinde gehören zur PRD und zur UCIAF – also ehemals verfeindete Organisationen. Ein Sympasisant der Zapatistas, der in der Folge diverser Ausbildungsprogramme der autonomen und aufständischen Strukturen zum Kenner der hiesigen Rechtsstrukturen ausgebildet wurde und als einziger im Dorf über Kontakte über die Bezirksgrenzen hinaus verfügt, wurde gar autorisiert, auswärtige Hilfe anzufordern. Infolge dessen wurde eine Menschenrechtsdelegation organisiert und der Fall Emiliano Zapata erregte internationale Aufmerksamkeit. Heute ist nicht mehr wichtig, wer zu welcher Partei oder Kirche gehört. Nur diejenigen Familien, welche  wirtschaftlich direkt von der Anwesenheit des Militärs profitieren, wollen, dass es bleibt.

 

Heisst das, dass es heute keine paramilitärischen Aktivitäten mehr gibt?

 

Offiziell erhalten die Paramiltärs heute keine Unterstützung mehr von  der Regierung. Unter der chiapanekischen Regierung von Pablo Salazar wurden einige Paramilitärs für frühere Taten bestraft. Aber die DPJ ist ja nicht nur eine paramilitärische Organisation, denn sie hat ihre Leute überall in wichtigen politischen Funktionen. So kontrollieren DPJ indirekt viele der öffentlichen Gelder. Und es wird auch befürchtet, dass die Bundesarmee die Paramilitärs neu aktiviert, um sich vor ihren Gegnern zu schützen und ihre weitere Präsenz zu rechtfertigen. So warfen Sympatisanten des Militärs bei den Demonstrationen in Emiliano Zapata Steine gegen Protestierende, BeobachterInnen und JournalistInnen. Die Ungeduld in Emiliano Zapata ist gross. Bisher war es der Bundesarmee in der Zona Norte immer möglich, zwischen sich und ihren Gegnern sogenannte „Zivilisten“ zu stellen, was dazu führte, dass sie bisher wenig mit direktem Widerstand konfrontiert war. Doch im Falle von  Emiliano Zapata werden nun die Stimmen, die fordern, einfach ins  Militärlager einzudringen und die Armee rauszuwerfen, immer lauter. Dies würde die Armee in die unangenehme Lage bringen, sich direkt gegen ihre “Gastgebergemeinde” wenden zu müssen...

 

Gewalt gegen Frauen als Mittel im „Krieg niederer Intensität“

 

Die Militärs arbeiten also immer noch auf eine Zerrüttung der sozialen Strukturen hin. Darunter haben wohl insbesondere die Frauen zu leiden. Hatten und haben auch die Paramilitärs in der Zona Norte – wie beim Massaker von Acteal - besonders Frauen im Visier? Wie gehen Frauen in den Gemeinden mit diesen Bedrohungen um? Immer noch sind viele Frauen an Haus und Herd, Mann, Kinder und  Kleintiere gebunden. Sie werden dazu erzogen, nicht über sich selber zu bestimmen. So verlangt zum Beispiel der Ehemann von der Frau, sie solle viele Kinder bekommen und der Arzt oder der Beauftragte des Regierungsprogramms “Oportunidades” verlangt, sie solle wenige Kinder bekommen. „Oportunidades“ ist ein Regierungsprogramm, welches gezielt Frauen in grosser Armut finanzielle Unterstützung offeriert, wenn sie ihre Kinder in die offizielle Schule schicken, sich ärztlichen Untersuchungen unterziehen und sich regelmässig an Kursen und Versammlungen mit Regierungsbeauftragten beteiligen.

 

Zuerst versorgen die Frauen die Familie, erst dann sich selber. Und wenn es nicht für alle reicht, hungern sie als erste – obwohl sie am meisten arbeiten. In der Zona Norte sind die meisten Todesopfer oder Verhafteten Männer. Dadurch verlieren die Frauen Söhne und Ehemänner und müssen oft die Familie alleine versorgen.

 

An politischen Entscheidungen ist die Frau selten beteiligt. Mir wurde berichtet: “Ist der Mann in DPJ, so muss auch die Frau Mitglied werden, denn sonst verliert sie Haus und Tiere und wird samt den Kindern vertrieben.“ Es gibt nur wenige Frauen, welche Funktionen in den Gemeinden ausüben. Gesundheitspromotorinnen, Lehrerinnen der autonomen Schule, Katechetinnen sind denn oft auch nicht verheiratet.

 

Inzwischen wird auch in der Zona Norte das revolutionäre Frauengesetz der Zapatistas immer bekannter. Die darin enthaltenen Forderungen wie die Selbstbestimmung über den eigenen Körper, das Recht auf (Land- )besitz und das Recht zur Teilnahme am Kampf gegen  Unterdrückung und Ausbeutung sind wichtige Schlüssel, um die Widersprüche in den Gemeinden anzugehen.

 

Vertreibungen und Befriedung in der Zona Norte

 

Viele oppositionelle Leute, nicht nur Zapatistas, wurden in den Jahren 1995 und 1996 aus ihren Dörfern in der Zona Norte vertrieben. Wie steht’s heute um die intern Vertriebenen? Wie funktioniert heute das Zusammenleben zwischen verschiedenen politischen Fraktionen auf Dorfebene?

 

Im Zuge der Paramiltarisierung flüchteten ganze Dörfer in die Berge oder in Nachbargemeinden. Die meisten kehrten nach einigen Monaten zurück. Verarmt, da während ihrer Flucht DPJ ihre Häuser zerstörte und ihr Vieh stahl (Kühe haben hier die Funktion eines Bankkontos: Wird dringend Geld benötigt, so werden die Kühe verkauft.) Viele intern Vertriebene harrten jedoch jahrelang in Nachbargemeinden aus. Die Versöhnungskommission der Regierung Salazar organisierte Gespräche mit Vertretern der Flüchtlinge und ihren Herkunftsgemeinden und es wurden verschiedene Friedensverträge geschlossen, welche die Heimkehr der Flüchtlinge ermöglichte. Mit Hilfe von Regierungsgeldern (Geschenken und Darlehen) wurden neue Häuser und Strassen gebaut und neue Rückkehrerkolonien entstanden. Die Flüchtlinge von Miguel Aleman zum Beispiel kehrten auf ihr Land zurück, aber nicht in ihr Dorf. Sie beteiligen sich an der Gemeindeversammlung von Miguel Aleman, aber ihre Kinder gehen weiterhin in der PRD-Gemeinde zur Schule, die ihnen jahrelang Zuflucht gewährte. Die Flüchtlinge aus Ojo de Agua hingegen sehen noch lange keine Chance auf eine Heimkehr, da ihr Land  von Mitgliedern von DPJ beansprucht wird. Marciano, ein Flüchtling aus Ojo de Agua, lebt mit seiner Familie in Emiliano Zapata, in einer kleinen Hütte, ohne Anspruch auf Land oder irgendwelche Hilfe der Regierung. Die Flüchtlinge sind geduldet aber nicht willkommen im Dorf und einige Campesinos sind in Städte gezogen und erscheinen so in keiner Statistik.

 

Es entstehen jedoch auch neue Konflikte, zum Beispiel zwischen Mitgliedern der PRD und Zapatistas. Oft beschuldigen Zapatistas die PRDistas des Verrats, da die PRD an der Regierung Salazar beteiligt ist. In anderen Fällen kam es zum Streit wegen Geschenken oder Projekten, welche die SympatisantInnen der Zapatistas von der Zivilgesellschaft gemeinsam erhalten hatten, als die PRD noch zur Unterstützungsbasis der EZLN gehörte. Dann gibt es viele Leute, die auch mal die Partei - oder die Religion – wechseln, wenn es ihnen gerade nützlich scheint.

 

Folgen des “Krieges niederer Intensität”

 

Wie würdest du die soziale und politische Situation in der Zona Norte heute beschreiben? Ist der Widerstand der Zapatistas durch den "Guerra integral de desgaste"(Kriegsstrategie der Zermürbung) geschwächt worden? Inwieweit hat der PPP und andere Regierungsprogramme in den Gemeinden  Einzug gehalten? Ist das soziale Netz durch jahrelange soziale Zerrüttung und Spaltungspolitik brüchig geworden?

 

Ja, der Widerstand, die Resistencia der EZLN ist geschwächt. Durch die neoliberale Wirtschaftspolitik sind die Preise für landwirtschaftliche Produkte zu niedrig, um davon leben zu können. Ausserdem hat der Krieg die Leute weiter verarmt, zum Beispiel durch den Verlust der Tiere. Da bietet die Regierung nun Gelder und Projekte an. Immer mehr Leute verlassen deshalb den Weg der Resistencia, um etwas besser zu überleben. Dazu zwei Zitate von Betroffenen: “Um auf unser Land zurückzukehren,  mussten wir mit der Regierung verhandeln und die Hilfe der Regierung  annehmen. Deshalb wurden wir von der EZLN als Mitglieder aberkannt. Das  ändert aber nichts daran, dass wir in unserem Herzen Zapatistas  bleiben.” Und: “Ich habe 11 Kinder. Meine Frau ist krank. Meine Frau  holt sich die Gelder von “Oportunidades”. Deshalb bin ich nicht mehr in der [zapatistischen] Organisation.” Die Sympathien für die Ideen der Zapatistas sind jedoch nach wie vor lebendig.

 

Die neuen autonomen “Räte der Guten Regierung” konnten in einigen Gemeinden die Resistencia stärken. In der Zona Norte funktionieren jetzt autonome Schulen und Kliniken. Aber nur wenige Kinder gehen in die autonome Schule, denn um die Gelder von „Oportunidades“ zu erhalten, müssen die Kinder in die offizielle Schule gehen. Viele Regierungsprojekte halten Einzug in die Gemeinden. Da viele Bauern im  Krieg ihre Kühe verloren haben, werden vor allem Rinderprojekte akzeptiert. Die neuen Häuser, welche mit Hilfe der Regierungsprogramme gebaut wurden, sehen zwar besser aus, oft wird aber beklagt, sie seien zu klein für die grossen Familien. Und nach wie vor verschwinden immer wieder versprochene Gelder im lokalen Korruptionssumpf.

 

PROCEDE, das Programm zur Privatisierung des Gemeindelandes, hat jedoch bisher viel Ablehnung erfahren. Dies ist insbesondere im Falle der Gemeinde Emiliano Zapata interessant, da der Besitzer der Parzelle, welche an das Militär vermietet wird, laut Gesetz nicht allein über das Land entscheiden kann. Dadurch hat die Gemeinde auch eine rechtliche Handhabe, um sich gegen die Militärpräsenz zu wehren. Hätten die Bewohner von Emiliano Zapata PROCEDE akzeptiert, stände ihnen diese legale Möglichkeit nun nicht offen. Zur sozialen Situation insgesamt lässt sich sagen, dass in den Gemeinden viel Misstrauen untereinander herrscht. Die Spaltungen gehen durch die Familien. Politische Probleme werden persönlich, persönliche Konflikte politisch. Viele Leute sind des Krieges müde und wollen sich keiner Organisation mehr anschliessen.

 

Zahlreiche Bauern und Bäuerinnen verlassen ihr Land um – zumindest zeitweise - in den Städten Geld zu verdienen. Meistens kommen sie dann wieder zurück. Das hat Vor- und Nachteile: Sie werden offener gegenüber anderen Kulturen, lernen Spanisch etc. Doch oft kommen die Mädchen schwanger zurück, ein Mann hat sie betrogen, oder die Jugendlichen verleugnen ihre indigene Kultur, nehmen Drogen und Alkohol.

 

...und die Zukunft?

 

Sipaz arbeitet seit Jahren in Friedensförderung und Konfliktvermittlung in den Gemeinden, u. a. in der Zona Norte. Wie schätzt du die Chancen auf eine politische Lösung auf lokaler Ebene ein? Wo sind mittelfristig die grössten Gefahren, wenn einer politischen Lösung weiter aus dem Weg gegangen wird?

 

Eine politische Lösung auf lokaler Ebene scheint nur begrenzt möglich. Es gibt Leute innerhalb der lokalen Regierungen (Chiapas und Zona Norte), die sich um politische Lösungen bemühen. Aber gegenüber der Bundesarmee haben sie wenig Einfluss. Viele Leute in den Gemeinden befürchten eine Reaktivierung des Paramilitarismus seitens des Militärs, um seine Präsenz zu rechtfertigen. Eine wirkliche politische Lösung müsste auf Bundesebene verhandelt werden, d.h. die Friedensverhandlungen zwischen der EZLN und der Regierung müssten wieder aufgenommen werden.  Erschwerend kommt dazu, dass dieses Jahr in Chiapas Gemeindewahlen  durchgeführt werden. Die Neuverteilung der Pründe könnte zu neuer Gewalt  führen.

 

Besten Dank, Heike, für das Gespräch und alles Gute für Deine weitere Arbeit!

 

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